Rote Radisten – Arbeiterradiobewegung in der Weimarer Republik

Eigene Radiosender forderte die Arbeiterradiobewegung der 1920er Jahre. Doch bei der Geburt des staatlich kontrollierten Weimarer Rundfunks hatte die Angst vor den revolutionären Massen Pate gestanden.

Das neue Medium Rundfunk begeisterte die Menschen Mitte der 20er Jahre. Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter schlossen sich im Arbeiter-Radio-Klub Deutschland zusammen, bastelten sich selbst Empfänger, weil sich ArbeiterInnen die teuren Geräte nicht leisten konnten, und stellten politische Forderungen.

Doch Reichspost und Innenministerium sorgten für strenge Kontrolle und Zensur und schlossen vor allem Kommunisten konsequent vom Rundfunk aus. Die Arbeiterradiobewegung entwickelte eine lebendige Kultur der Kritik, bis die Nationalsozialisten den Rundfunk mühelos und im Handstreich zu ihrem eigenen Propagandainstrument umfunktionierten.

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    Bahn frei für den Roten Funk

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    Die KPD wirbt 1932 dafür, Radio Moskau zu hören

    By Weinrother, Carl - Link

    Radioansprache 1923

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    Reichskanzler Marx bei der Weihnachtsproklamation

    By Georg Pahl - Link

    Detektorempfänger

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    By Stahlkocher - Link

Quellen

Danksagung

  • SprecherInnen: Martina Fries, Alexandra Sommer
  • Interviews: Gerd Walther, Klaus-Michael Klingsporn
  • Musik: The Runner (David Szesztay), Kvaleoun

Script

Heute: Rote Radisten – Über die Arbeiterradiobewegung der Weimarer Republik

O-Ton Gerd Walther: „Es ist ein sehr schönes Kästchen, das seine Innereien versteckt, und durch eine Klappe lässt es sich öffnen, hat eine Metallverzierung. Das heißt für den, der es gebastelt hat, war das ein hoher Wert“

Ein Detektorgerät, mit viel Liebe selbstgebaut von einem Mitglied der Arbeiterradiobund-Ortsgruppe Fürth. Heute steht es, sorgfältig wieder hergerichtet, im Fürther Rundfunkmuseum. Sendungen hören konnte man damit nur in der Nähe einer Sendestation und von heutigen Hifi-Ansprüchen waren die Töne aus dem kleinen Kasten natürlich weit entfernt. Trotzdem, so betont der Historiker Gerd Walther, der uns 2011 als Museumsleiter durch die Ausstellung führte, gings beim Basteln nicht nur um den Spaß, sondern auch darum den ArbeiterInnen das Radiohören zu ermöglichen:

O-Ton Gerd Walther: „Ein komplettes Radio 1924/25 lag so zwischen 400-600 Reichsmark, ein Facharbeiterlohn bei 180-200 Mark, das heißt für einen Arbeiter  war es unerschwinglich“

Dass es sich bei der Radiobastelei nicht nur um eine Randerscheinung handelte belegen auch Erhebungen der Reichspost. Danach waren im Jahr 1925 von einer Millionen angemeldeter Rundfunkempfänger die Hälfte selbst gebaut.

So erinnerte sich auch Karl Schönfelder, der in den 20er Jahren in der Arbeiterradiobewegung Österreichs aktiv war:

O-Ton Schönfelder: „Normalerweise war es natürlich so dass die Leute, der Arbeiter, die Angestellten, ein Interesse gehabt haben für das neue Medium. Nur ham die natürlich kein Geld gehabt sich irgend einen Apparat. Jetzt ham wir begonnen  natürlich mit den einfachsten Sachen: Detektorapparat, eine Walzenspule, dann sind wir hergegangen haben wir (unverständlich ) ... und Detektorapparat und haben angefangt zum Basteln“                

Das Basteln und zunächst sogar das Hören waren freilich fast ausschließlich Männerdomäne. Angela Dinghaus zitiert und analysiert 2002 zeitgenössische Veröffentlichungen in ihrer Doktorarbeit „Frauenfunk und Jungmädchenstunde“ - nicht ohne eine gehörige Portion Ironie:

Zitat: Experimente wurden nicht nur "im stillen Kämmerlein des Bastlers" betrieben, das technische "Ungetüm" okkupierte den Arbeitsplatz der Frau und störte mit einem "Durcheinander von Drähten und Leitungen" die häusliche Routine. "Akkumulatoren, mit beißender Säure gefüllt", verunstalteten das Mobiliar und Interieur; die giftigen Ingredienzien bildeten sogar eine neue Gefahrenquelle im Haushalt. Männliche Radiomanien und männlicher Bastelwahn taten ein Übriges, das Ehe- und Familienleben zu beeinträchtigen. Auch das Hören, in der Frühzeit des Rundfunks wohl mehr eine exklusive technische Spielerei mit Kopfhörern, scheint zunächst funkbegeisterten Männern vorbehalten gewesen zu sein.

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Bis zur Räterevolution nach dem 1. Weltkrieg wurde die Rundfunktechnik vorwiegend vom Militär genutzt. Hans Bredow, der spätere „Rundfunk-Kommissar“ des deutschen Reiches, hatte zwar 1917 schon mal Musik an die Front gesendet, um einen Röhrensender zu erproben. Sieht man von diesem Test ab, kann der berühmte Rundspruch revolutionärer Arbeiter und Soldaten „An Alle“  vom November 1918 als erste „echte“ Rundfunksendung in Deutschland betrachtet werden . „Alle“ waren zu diesem Zeitpunkt nur diejenigen die ein Funkgerät besaßen und es bedienen konnten.  Wenige waren das trotzdem nicht.

O-Ton Gerd Walther: „Man muß ja bedenken es hat sehr viele Leute gegeben, die mit dem Funk vertraut waren. Im ersten Weltkrieg hat Funk eine sehr große Rolle gespielt und diese Funker waren die erste Massenbasis von Radiohörern“  

Knapp 200 000 an Funkgeräten ausgebildete Soldaten waren aus dem Krieg heimgekehrt.  Nur vier Wochen lang waren die im Reich verstreuten Funkstationen in der Hand der Revolutionäre. Doch das mag prägend gewesen sein für das hohe Kontrollbedürfnis, das in Deutschland beim Aufbau des Rundfunks ab 1922 bestand:

O-Ton Gerd Walther: „Es hat ja verschiedene Strömungen gegeben, zum einen gab es eine Revolution nach dem verlorenen Krieg, das heißt die Obrigkeit war gegenüber dem Funkwesen sehr skeptisch“.

Eine Forschungsmeinung geht davon aus, die Angst vor der Masse habe mit Pate gestanden bei der Gründung des Rundfunks in Deutschland. Hans Bredow, der von der Reichsregierung damit beauftragt wurde, nannte seine Rundfunkgesellschaft 1922 „Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung“. Der Name war Programm. Zu hören waren vorwiegend Konzerte, Politik kam zunächst nicht vor: Ausgewogen und neutral sollte alles nach außen sein – und die Reichspost kontrollierte, wer senden durfte und wer nicht.

Der Berliner Börsen-Courier erklärte im Oktober 1923 seinen Lesern, warum dies so sein musste  und nicht anders sein durfte:

Zitat: „Durch die behördliche Überwachung soll den Radioamateuren das Handwerk gelegt werden. Durch den militärischen Zusammenbruch und die in seinem Gefolge auftretenden Plünderungen von Heereseigentum im Jahre 1918 sind viele unbefugterweise in den Besitz von Rundfunkgerät gekommen. Wenn die Postbehörde jetzt nicht jede Aufstellung derartiger Geräte von der Einholung einer staatlichen Genehmigung abhängig machen würde, dann würde nachträglich der Diebstahl von Staatseigentum gewissermaßen sanktioniert werden“

Wohlgemerkt sollte auch das Empfangen reglementiert werden, wenn auch das – in Herrschaftssprache „geplünderte Heereseigentum“ - senden und empfangen konnte. Weil -O-Ton - die Schaffung eines Nachrichtennetzes durch staatsumstürzlerische Kreise befürchtet werde, wurden 1924 zeitweise die Bestimmungen verschärft. Es konnten Wohnungen ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden und Strafen von bis zu 100000 Goldmark oder gar Gefängnis sollten verhängt werden können.

Doch für die an die Wand gemalten staatsumstürzlerische Anstrengungen von Radiorevolutionären finden sich gar keine historischen Quellen, auch wenn es Versuche gab illegal zu senden. Dazu  Gerd Walther:

O-Ton Gerd Walther: „Hats gegeben ganz am Anfang, ist aber relativ aufwendig. Wenn ich einen Röhrensender habe dann hab ich auch entsprechend großes Gerät und von daher sind dem Grenzen gesetzt. Es gab immer wieder -  mehr im spielerischen Bereich - solche Versuche.“

In den Kreisen der Staatsumstürzler wurde – ganz im Gegensatz zu den Vermutungen der Post – die Arbeiterradiobewegung zunächst wohl eher belächelt.

Dazu sagt der Hörspielredakteur Klaus-Michael Klingsporn:

O-Ton Klaus-Michael Klingsporn: “Es war keineswegs so dass SPD und KPD das am Anfang in irgendeiner Form politisch relevant fanden. Die fanden das alles Spielerei und dummes Zeug. “

Klingsporn hatte 1988 für eine studentische Arbeit über die Arbeiterradiobewegung tief in den Archiven gegraben. Seinen damaligen Recherchen entstammt auch das folgende Zitat:

Zitat: „Man nimmt schlechthin an, die Beschäftigung mit dem Rundfunk sei eine bessere Spielerei, die sich für den klassenbewußten Arbeiter ganz und gar nicht lohnt, die ihm nur Zeit wegnimmt.„

So klagt noch 1928 ein Mitglied des  Arbeiter-Radio-Bunds Deutschland. Der hatte sich drei Jahre zuvor - zunächst unter dem Namen Arbeiter-Radio-Klub - in Abgrenzung zu bürgerlichen Funkamateuren gegründet, um zum Mindesten Einfluss auf das neue Medium zu nehmen. Tatsächlich war die Haltung der SPD nicht sehr kritisch gegenüber der Entwicklung des Rundfunks, in dem Industrie und Staat die Fäden hielten, die Arbeiterbewegung aber ausgrenzten.

Die Kommunisten hingegen neigten zu einer Propaganda des Nicht-Hörens wie Klaus-Michael Klingsporn in seiner Arbeit konstatierte, da sich „der Rundfunk in den Händen der kapitalistischen Gesellschaft“ befinde und erst nach der Revolution „restlos in den Dienst des menschlichen Fortschritts“ gestellt werde könne.

Seit den Anfängen der Arbeiter-Radiobewegung existierte die Forderung nach einem eigenen Sender. Einheitliche Pläne, wie man einen solchen nutzen wollte, gab es freilich nicht. Ein Mitglied des Arbeiter Radiobunds Österreich  - vermutlich spricht hier Otto Stöber – erinnerte sich, wie er die sozialdemokratische Parteiführung für seine Pläne gewinnen wollte. Er brachte das Argument vor, man könne im Krisenfall mit einem solchen Sender den Republikanischen Schutzbund mobilisieren - die bewaffnete Arbeiterwehr der österreichischen Sozialdemokraten:

O-Ton: „...ich habe mir ehrlich vorgestellt, wenn wir mit Unterstützung -  natürlich auch finanzieller Unterstützung - der Partei, einige solcher Sendeanlagen bekämen, dann wäre das Problem für den Schutzbund im Alarmfall gelöst, weil man brauchte ja nur in Attnang, in Steyer einen Empfänger aufstellen. Und wann der Gruber schreit ‚Hallo zu den Waffen‘, dann ist alles geschehen und die Polizei kann da nichts  abschneiden und nichts verbieten, denn die hört ja gar nichts, wenn sie nicht die richtige Welle hat.“


Unterstützung durch Parteifunktionäre der SPD gab es für solche Forderungen auch in Deutschland kaum. Der politische Kampf des Arbeiter-Radio-Klubs galt denn auch mehr und mehr der Partizipation und der Mitbestimmung der Sendeinhalte.


O-Ton Gerd Walther:  „Man ist gar nicht so weit gegangen, dass man einen eigenen Arbeitersender haben wollte, man hat eine Stunde oder drei in der Woche  Rundfunk Sendung machen wollen. Das ist natürlich abgelehnt worden, weil die Obrigkeit da ganz andere Interessen hatte und mit sozialistischen Bewegungen wahrlich wenig am Hut hatte, auch wenn das sozialdemokratisch beteiligte Regierungen waren.“

Derweil eroberte der Rundfunk trotz „mangelnder Information, wirklichkeitsferner Belehrung und seichter Muse“, wie ein Zeitgenosse rügte, die Gunst der Massen.  Mit Hilfe des neuen Mediums hielt der Jazz Einzug in die Kultur der Deutschen und KünstlerInnen wie Lilian Harvey erfüllten mit ihren Schlagern psychologische aber auch soziale Bedürfnisse des Industriezeitalters:

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Der Rundfunk sollte nach der Maßgabe des Reichs-Rundfunk-Kommissars Hans Bredow unparteiisch sein. Vorträge die unter dem Verdacht des Politischen standen, wurden kontrolliert und zensiert. Dies hinderte freilich nicht, wie die Zeitung des Arbeiter-Radio-Bunds vielfach kritisierte, dass Nationalismus und Revanchismus in den Sendungen Raum fanden. Denn was unparteiisch war, bestimmten die, die das Medium kontrollierten.  So sagt Kurt Tucholski in seinem Essy "Der politische Rundfunk":

Zitat: ...die ganze Frechheit der nationalen Kreise, die ganze Schlappheit der Opposition liegt schon in diesem Faktum, dass das, was diese Burschen »nationale Gesinnung« nennen, als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

Als selbstverständlich und normal galt dann eben, nationale Themen mit patriotischem Pathos vorzutragen.  Ein Auszug aus der Rundfunkreportage von 1930 über die „Befreiungs-Feier“ in Trier anläßlich des Abzugs der allierten Besatzungstruppen:

O-Ton: Reportage Trier 1930

Kritik tat also not und so war Kritik am bürgerlichen Rundfunk auch eine der wichtigsten Aufgaben der verschiedenen Zeitungen, die von den Organisationen der Arbeiterradio-Bewegung im Laufe der Jahre herausgegeben wurden. Kritik an den hohen Rundfunkgebühren, Kritik an rechter und religiöser Propaganda, an der mangelnden Repräsentation der ArbeiterInnen in den Sendungen, und auch am Frauenbild, wie es vom Weimarer Rundfunk reproduziert wurde.

Für Frauen sendete die „Deutsche Welle“ 1926 zwar erstmals die „Stunde der Hausfrau und Mutter“. Auch sprachen hier die Frauen selbst. Das Programm stand allerdings unter dem Einfluss konservativer Hausfrauenverbände.

So schildert Margarete Bauer 1926 in „Der neue Rundfunk“:

ZITAT: Wie die «bürgerlichen Frauenzeitschriften - von der „Eleganten Welt“ und der „Dame“ bis zur „Berliner Hausfrau“ -  so ist das Niveau der gebotenen Vorträge. Die Proletarierfrau kommt nicht zum Wort. Und auch wirklich ernsthafte und tiefer schürfende Frauenfragen werden nicht behandelt.

Wie wäre es, wenn nach „Die Frau am Teetisch“ auch einmal das Thema folgte:
„Ein Arbeiterhaushalt“, und statt des gewiß für manche Damen hochinteressanten Referates: „Kann ich mit einer Freundin reisen?“ man einen Gewerkschaftsbeamten zu einem Vortrag über „Die Lage der Heimarbeiterinnen“ aufforderte?

Manche Dame, die bequem in ihrem Gobelinsessel gelehnt ihre Radiostunde hört, würde dann vielleicht auch belehrt, daß es noch ernstere Sorgen gibt, als die, ob das Grau der Schuhe genau zu dem neuen Komplet paßt.

…..

Sicher differenzierte sich das Radioprogramm im Laufe der Jahre aus und öffnete sich in begrenztem Maß auch für die bürgerliche Frauenbewegung. Doch noch 1931 veröffentlichte die kommunistische Radio-Zeitung „Arbeitersender“ das folgende Gedicht:

ZITAT:
Das ist der Frauenfunk

Man saß gerade beim Modetee
Und sprach von dem zartrosa Frühlingskomplet
(Eine „Schöpfung“ von Herpich u. Söhnen),
Da begann der Rundfunk zu klönen.

„Entzückend!“ meinte die dicke Frau Klein.
„Man kommt uns mit Griechisch und mit Latein!
Asparagus, hör‘n Sie. heißt Spargel,
Doch wie übersetz' ich - Quargel?

„Erziehung ist alles", erklärte Frau Blunck,
„Ich bin restlos begeistert vom Frauenfunk,
Er bringt so gebildete Themen -(Möchten Sie ein Praline nehmen?)

Ich finde den Rundfunk ja einfach enorm! "Erziehung Zur Ehe und Ehereform"
War neulich ein Vortrag gewesen -
(Haben Sie Van de Velde gelesen?)"

„Na, manchmal“, gähnte die dicke Frau Klein, „Da könnten die Vorträge stilvoller sein!
Wie neulich die Fürsorgeärztin gesprochen,
Da habe ich schleunigst den Strom unterbrochen!‘

„Ich bitte Sie", protestierte Frau Blunck, „Beim Muttertag hat sich der Frauenfunk
Dagegen doch fabelhaft benommen . .
Meine Kinder sind alle mit Geschenken gekommen!"

Während dieses Frauengespräch' sich begab,
Trug man eine proletarische Mutter zu Grab.
Und die Frau, die kein Pfarrer zu Grabe trug,
Die hatte an e i n e m Geschenk genug!

Wovon die Welt mit Entsetzen spricht:
Den Frauenmord-Paragraph 218, den kennt der Rundfunk nicht!


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1929 spaltete sich die Arbeiterradiobewegung. Hintergrund waren wachsende Konflikte zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten. Es gab zunehmend Kritik an der hinhaltenden Politik der SPD angesichts der wachsenden Faschismusgefahr , die KPD schloss sich der gegen die SPD gerichtete Sozialfaschismustheorie an und am 1. Mai und folgenden Tagen wird in Berlin auf Anweisung des SPD-Innenministers und des sozialdemokratischen Polizeipräsidents ein Blutbad unter Demonstranten und Unbeteiligten angerichtet.  

Die Sozialdemokraten drängen die Kommunisten dem Vorstand. Nun gibt es zwei Organisationen, den eher sozialdemokratischen Arbeiterradiobund ARBD und den kommunistisch orientierten FRBD, den Freien Radio-Bund Deutschland.

O-Ton Gerd Walther: „Es gab ja auch diese Spaltung in sozialdemokratisch orientierte  und kommunistische orientierte Leute. Aber im Wesentlichen war das etwas, das von oben nach unten gekommen ist und nicht aus  der rundfunkbegeisterten Arbeiterschaft.“

meint der Historiker Gerd Walther.  

Doch zwischen den beiden Strömungen gab es bedeutende Unterschiede, was das Verhältnis zum Medium Rundfunk und seiner Organisation, die Forderungen und Nahziele anbelangte. Sozialdemokraten hatten die Forderung nach eigenen Sendern längst aufgegeben. Sie zielten auf Reformen und waren in den Kontrollgremien des späten Weimarer Rundfunks vertreten.

Die KPD jedoch war – anders als die NSDAP – während der ganzen Weimarer Republik grundsätzlich vom Rundfunk ausgeschlossen. Kein Wunder also, dass die kommunistische Arbeiterradiobewegung nicht auf Reformen hoffte, sondern Fundamentalopposition bezog. Gefordert wurden proletarische Kurzwellensender und es wurde gegen den Rundfunkfaschismus Stellung bezogen.

Auch forderte der Freie Radiobund Deutschlands (FRBD)  Arbeitersendestunden, die von der „Interessensgemeinschaft für Arbeiterkultur“ gestaltet werden sollten, sowie einen Programmaustausch zwischen Deutschen und sowjetischen Rundfunkanstalten. Dennoch dürfte der „Arbeitersender“, die Zeitschrift des FRBD nicht ernsthaft damit gerechnet haben, dass der folgende im Februar 1932 abgedruckte „Programmvorschlag“ für den 1. Mai Berücksichtigung durch  die Deutsche Welle finden würde:

Zitat:
7 Uhr Morgenmusik des proletarischen Blasorchesters Leipzig.
8 Uhr Bekanntgabe der Stellplätze für die Demonstrationsteilnehmer.
8.30 Uhr Verlesung des kommunistischen Manifestes.
9 Uhr Vortrag: Körperkultur und Lebensreform im Arbeiterstaat.
9.45 Uhr Vortrag: Esperanto im Dienste des internationalen Proletariats.
10.30 Uhr Demonstrationsübertragung und Reportage.
11.30 Uhr Ansprachen von den Sammelplätzen der Demonstrationen.
12.15 Uhr Mittagskonzert des Roten Orchesters erwerbsloser Berufsmusiker.
14.15 Uhr Vortrag: Die sozialistische Planwirtschaft.
15 Uhr Konzert des Mandolinisten-Orchesters „Frei Klang“.
15.45 Uhr Übertragung der Maifeier der Moskauer Arbeiterschaft.
16.30 Uhr Vortrag: Lenins Leben.
17 Uhr Massenchorkonzert der Volkschöre „Freiheit“ und „Rote Lyra“.
18 Uhr Gedenkrede: Der 1. Mai — der Weltfeiertag des Proletariats.
18.45 Uhr Zwiegespräch über die Bedeutung des 1. Mai zwischen einem
alten und einem jungen Arbeiter.
19.15 Uhr Proletarische Bücherschau.
20 Uhr Proletarisches Kabarett.
22 Uhr Übertragung der internationalen Sendungen des Moskauer Gewerkschaftssenders.
22.30 Uhr Proletarische Berichterstattung.

Der Freie Radiobund entwickelte in der kurzen Zeit seines Bestehens interessante Praxis-Formen. Die Idee des Zahlstreiks wurde nochmals aufgegriffen. Die Aktion richtete sich gegen den zunehmenden Einfluss der NSDAP auf den Rundfunk. „Rote Radisten“, Techniker der Arbeiterradiobewegung, bauten Verstärkeranlagen für Lautsprecherwagen. Die fuhren durch Berlin, übertrugen Agitation und spielten verbotene Lieder. Sogenannte „Abhörgemeinschaften“ wurden organisiert, in denen die politische Berichterstattung diskutiert und kritisiert werden sollten. Der „Arbeitersender“ druckte Anleitungen, ab, wie der Empfang verstärkt werden konnte, um Radio Moskau empfangen zu können.

1933 wurden beide Organisationen, der Arbeiterradiobund und der Freie Radiobund von den Nationalsozialisten verboten. Der Rundfunk wurde zum Propagandainstrument der Nazis umfunktioniert. Nicht einmal eine Dekade hatte die Arbeiterradiobewegung Zeit gehabt, um konkrete Alternativen in Sachen Rundfunk zu entwickeln.

Zu einem ernst zu nehmenden Kampf um das Medium war es nie gekommen. Der Grund, so Klaus-Michael Klingsporn: Die Analyse  der Weimarer Rundfunk-Organisation durch die Arbeiter-Radio-Bewegung habe viel zu kurz gegriffen. Während die KPD-nahen Radiofreunde die Veränderung auf nach der Revolution vertagten, wollte der SPD-Flügel einfach nur selbst in die Überwachungs- und Kontrollgremien. Das wesentliche Merkmal des Rundfunks aber war sein staatsnaher-regierungskontrollierter Charakter.  Und den habe die Arbeiter-Radio-Bewegung schlicht nicht ins Feuer ihrer Kritik genommen.

O-Ton Michael Klingsporn: "Das Problem: dass man die Struktur, die der Weimarer Rundfunk hatte, bei beiden Gruppen überhaupt nicht erkannt hat. Und diese  Regierungskontrolle, die letztlich von vornherein jede Arbeit ausschließt, die in irgendeiner Form wirklich programmverändernd  ist, haben sie bis zum Schluss nicht erkannt. Und das, was dann im Faschismus mit einem Handstreich gemacht werden konnte, indem man einfach in diesen Gesellschaften nur den Vorsitzenden austauscht und damit das Programm gleichgeschaltet hat, haben sie überhaupt nicht gesehen.    

Letztendlich haben sie gar keine Reform der Struktur angestrebt, sondern wollten einfach nur teilhaben an diesen Kontrollmechanismen. Also auch Vertreter in den Beiräten haben, aber eben nichts an den Strukturen ändern.

Das ist die grösste Kritik die man haben kann, denn sie haben einfach nicht begriffen was sie vor sich haben. Da sind sie allerdings nicht die einzigen gewesen."